“Das Hurenhaus”
…Seine Mutter war die schönste Frau die er je gesehen hatte. Ihr Haar war tiefschwarz wie das seine und fiel in sanften Wellen auf ihre Schultern. Ihre Züge waren ebenmäßig und zart wie der Lauf eines Flusses. Doch verlieh diese ebenmäßigkeit ihr eine gewisse Kälte. Sie roch stets wie er fand nach Regen. Ihre Gestalt war von graziler Schönheit und durch die Klieder die sie trug brachte sie ihre Rundungen stets zur Geltung. Da er sie und die anderen Frauen nicht anders kannte wunderte ihn diese Aufmachung auch nicht.
Als er die „Gaststube“ betrat, in der sie arbeitete und wohnte, saß sie dicht neben einem Mann mit edlen Kleidern. Ein bekannter Händler aus Bree mit Weib und Kindern wusste Kriep. Das Licht war wie immer gedämpft und spärlich, die Gespräche wurden leise in Ecken geführt und hier und da hörte man ab und an ein keckes Kichern oder ein lüsternes Lachen. Seine Mutter flüsterte lächelnd in des Händlers Ohr und der Mann grinste hässlich. Dann erhob sie sich und ihre Miene wurde kalt als sie Kriep im Türrahmen sah und kam auf ihn zu. Sie bewegte sich wie eine, sacht im Wind wiegende Weizenähre.
„Wo warst du die letzten Tage verdammt? Und was zur Henker ist mit deinem Gesicht passiert?“ fragte sie gelangweilt.
Kriep schaute auf den Boden und sagte: „Tut mir leid, Mutter!“
„Was ist passiert?“ fragte sie weiter ohne großes Interesse in der Stimme „Nichts weiter.“ antwortete er traurig.
Sie schaute ihn flüchtig an und sagte dann lässig: „So schlimm ist es ja nicht und jetzt scher dich ins Hinterzimmer zu den anderen…los, ich habe zu tun. Frag was du machen sollst!“ „Aber Mutter ich…“
„Schweig!“ fuhr sie ihm schroff dazwischen. Krieps Gesicht verdüsterte sich und er zog wütend ab.
Im Hinterzimmer hielten sich einige der anderen Dirnen auf, die ihn besorgt fragten was passiert sei. Er gab immer die selbe verschwiegene Antwort und bald fragten sie ihn nicht mehr. Eines der Mädchen verstand sich ein wenig aufs Heilen und machte sich daran Kriep zu versorgen. Sie musterte sein Gesicht besorgt und sagte dann: „Pass gut auf dein hübsches Gesicht auf, Kleiner. Manchmal ist es alles was man hat und nutzen kann.“
„Ihr seid alle Schankmägde, richtig?“ fragte er mit bebender Stimme. Sie lachten kurz alle auf da schrie Kriep: „Hört auf mich auszulachen und antwortet!“
Lächelnd antwortete die Heilende: „Aber natürlich, Kleiner.“ Das genügte ihm vorerst und er beruhigte sich wieder. Danach spielten sie und ein paar andere zusammen mit dem Würfel und versuchten ihm so das zählen und zusammenrechnen beizubringen. Er wurde immer besser. Danach schwatzten sie für gewöhnlich und erzählten von Frauenproblemen und Kriep hörte immer genau und aufmerksam zu und lernte schnell über die Wesenszüge einer Frau bescheid zu wissen und wie man damit umgeht. Es sollte sich erst später erweisen, das dieses Wissen unschätzbar wertvoll für ihn war.
Plötzlich stürmte ein fetter Mann um die vierzig Lenze in das Zimmer und brüllte: „Wollt ihr nutzlosen Weiber euch wohl in den Schankraum scheren!“ Seine Sachen waren voll mit Bier- und Schweißflecken. Seine Halbglatze glänzte im matten Binsenlicht. Sein feistes hässliches Gesicht war eingefallen und troff vor Schweiß. Die Mädchen und Frauen erhoben sich langsam und setzten ihr gekonntes Lächeln auf.
Kriep bewunderte es ungemein, einfach herzlich zu lächeln trotz der plötzlichen Bosheit des Fetten. Er hasste dieses Haus und er hasste diesen Mann; unnatürlich freundlich zu den Gästen und gemein zu den Frauen und seiner Mutter. Es platzte aus ihm heraus, er schrie: „Rede gefälligst ordentlich du fetter Splitterhauer!“ Die Frauen blickten besorgt und erstaunt drein, doch der Feiste knirschte mit den Zähnen, lief auf ihn zu und gab ihm eine Maulschelle die ihn im Bogen gegen die Wand schleuderte.
Alte Blessuren platzten auf und am Kopf bekam er eine Platzwunde. Er blieb liegen. Niemand wollte oder konnte ihm helfen. Als er sich später dann wieder vor Wut und Schmerz weinend aufrichtete lief er zu seiner Mutter die noch immer im Saal bei dem Händler saß. Sie sah seine Wunden und scheuchte ihn mit ermahnender Miene und ohne Worte davon…
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